Reaktion auf ARD/NDR-Berichterstattung: Recyclingziele der Kunststoffbranche in Gefahr – Verband fordert bessere politische Rahmenbedingungen

Frankfurt am Main, 10. April 2025 – Laut Medienberichten unter anderem im Polit-Magazin Panorama vom heutigen Donnerstag wird die Kunststoffbranche die selbst gesteckten Ziele für den Ausbau des Recyclings im Jahr 2025 verfehlen. Viele angekündigte Projekte würden nicht umgesetzt, die Klimaziele seien gefährdet. Die Journalisten appellieren an die Verbraucher, den Kunststoffverbrauch einzuschränken.

Der Verband der Kunststofferzeuger Plastics Europe und seine Mitglieder haben sich das Ziel gesetzt, bis zum Jahr 2050 auf europäischer Ebene klimaneutral zu produzieren. Um dieses Ziel zu erreichen, muss der Anteil der Kunststoffe auf Basis von Rezyklaten, Biomasse und chemischem Recycling von derzeit rund 15 % auf 65 % im Jahr 2050 steigen. Zuletzt sank allerdings auf europäischer Ebene die Menge an recycelten Kunststoffen in ähnlichem Maß wie die Kunststoffproduktion insgesamt. Ende letzten Jahres warnte der Verband daher: Die wirtschaftliche Krise und die schwindende Wettbewerbsfähigkeit des Kontinents gefährde nicht nur den Fortbestand und die Investitionsfähigkeit der etablierten Unternehmen, sondern auch die Fortschritte im Bereich der Nachhaltigkeit.

Dr. Christine Bunte, Hauptgeschäftsführerin von Plastics Europe Deutschland e. V., zeigt Perspektiven auf: „Um den Investitions-Turbo zu zünden, brauchen wir wettbewerbsfähige Energiepreise, den Ausbau der erneuerbaren Energieträger, eine wesentlich zielgerichtetere Bürokratie und drastisch beschleunigte Genehmigungsverfahren. Im gestern veröffentlichten Koalitionsvertrag von Union und SPD wurden hierfür wichtige Weichen gestellt.“

Tatsächlich wurden 2024 rund 120.000 t fossile Rohstoffe auf Basis von chemischem Recycling ersetzt, deutlich weniger als die 900.000 t, die sich der Verband als Ziel für 2025 gesetzt hatte. Neben den bereits beschriebenen Faktoren und technischen Fragen ist ein entscheidender Grund, dass der politische Rahmen bisher wenig Unterstützung bietet. Bunte betont: „Nachhaltige Produkte sind aktuell häufig teurer, das gilt auch für chemisches Recycling. Ohne klare politische Signale entsteht keine verlässliche Nachfrage – und damit keine Planungssicherheit für die Unternehmen, die allen Widrigkeiten zum Trotz investieren und Technologien skalieren wollen.“

Chemisches Recycling ist zwar ein wichtiger Bestandteil der Lösung. Für eine klimaneutrale Kreislaufwirtschaft braucht es entsprechend der „Transition Roadmap“ von Plastics Europe aber alle Kreislauftechnologien, also mechanisches Recycling, chemisches Recycling, Biomasse, sowie die Speicherung und perspektivisch die Nutzung von CO2. „Chemisches Recycling ist kein Allheilmittel“, betont Bunte. „Es setzt aber dort an, wo mechanische Verfahren an ihre Grenzen stoßen. Dadurch werden aus Abfällen, die aktuell verbrannt werden, neue Rohstoffe.“ Aktuelle Studien unter anderem des deutschen Umweltbundesamtes belegen, dass chemisches Recycling damit wertvolle ökologische Beiträge leisten kann.

Wichtige Bestandteile einer funktionierende Kreislaufwirtschaft sind nach Einschätzung von Plastics Europe zudem das zirkuläres Produktdesign und die Verringerung des Rohstoffbedarfs beispielsweise durch Ausbau von Mehrwegsystemen und Materialeinsparungen. Plastics Europe kritisiert, dass die aktuelle Medienberichterstattung diese Elemente in der Transformationsstrategie der Branche nicht wiedergibt.

Christine Bunte spricht zuletzt die Folgen von pauschalen Begrenzungen der Kunststoffproduktion an: „Hier muss man hinterfragen, welche Alternative an die Stelle der Kunststoffe tritt und ob diese tatsächlich ökologisch vorteilhafter ist. Oft werden Kunststoffe genau deshalb eingesetzt, um CO²-Emissionen zu reduzieren, sei es im Leichtbau beim Automobil, bei den Dämmstoffen in Gebäuden, bei der Versorgungsinfrastruktur, Rohre und Kabel und erneuerbaren Energien. Ganz zu schweigen von fehlenden Alternativen im Bereich der Medizin und Hygiene.“ Auch im Verpackungsbereich zeigt sich, dass eine pauschale Verringerung der Kunststoffmenge sogar zu einem Anstieg der Klimaemissionen führen kann.

Faktencheck: Panorama-Sendung vom 10.04.2025: Klimakiller Plastik – die Recycling-Lüge 

Im Faktencheck zur Panorama-Sendung vom 10.04.2025 vergleichen wir die getätigten Aussagen mit den tatsächlichen Fakten. Wir haben die Aussagen hier so wiedergegeben, wie wir sie verstanden haben.  

Behauptung Richtig oder falsch? 
Chemisches Recycling bleibt weiter hinter den Ankündigungen der Kunststoffindustrie zurück. Richtig. Im Jahr 2024 wurden rund 120.000 t fossile Rohstoffe durch chemisch basierte Rezyklate ersetzt. Angekündigt waren 900.000 t in 2025: Chemical recycling • Plastics Europe. Das Ziel wird also voraussichtlich deutlich unterschritten.  
Es gibt keine Daten darüber, welche Mengen an chemisch recycelten Rohstoffen eingesetzt werden. Falsch. Plastics Europe berichtet jährlich über die in Europa verarbeiteten Kunststoffmengen sowie die Aufteilung in fossil basierten, mechanisch recycelten (aus industriellen Abfällen), mechanisch recycelten (aus Endanwenderabfällen), chemisch recycelten sowie biomassebasierten Rohstoffeinsatz. Plastics – the fast Facts 2024 • Plastics Europe 
Die chemische Industrie investiert viel weniger als angegeben in chemisches Recycling. Wahrscheinlich richtig. Im Jahr 2021 hatten die Mitglieder von Plastics Europe angekündigt, bis zum Jahr 2025 rund 2.6 Mrd. € zu investieren. Der aktuelle Stand wird derzeit erhoben. Es ist aber davon auszugehen, dass diese Zahl nicht erreicht wird.  
Die chemische Industrie setzt auf chemisches Recycling, um klimaneutral zu werden. (Dies war die zentrale Botschaft der Sendung.Falsch. Um klimaneutral zu werden, braucht es Maßnahmen, um sowohl den Energiebezug als auch die Rohstoffbasis sukzessive von fossilen Rohstoffen zu entkoppeln. Dies umfasst eine ganze Reihe an Bausteinen, darunter u. a. Verbesserung der Energieeffizienz, Verringerung von Klimagasen durch Katalyse (Lachgas-Katalysatoren) erneuerbare Energieträger (Wind, Solar), Wärmepumpen, Verbesserung der Logistik, Entwicklung neuer Produktionsverfahren (z. B. Elektrocracker) und einen Ersatz fossiler Rohstoffe durch komplementäres mechanisches, physikalisches und chemisches Recycling, den Einsatz nachhaltig gewonnener Biomasse und perspektivisch CO2. Auch die Speicherung von CO2 wird eine Rolle spielen. 
Die chemische Industrie unternimmt nichts, um klimaneutral zu werden. Falsch. Die deutsche Chemieindustrie hat seit 1990 ihre Treibhausgasemissionen um 61 % gesenkt bei einer Produktionssteigerung um 48 % (Stand 2023). Einen spürbaren, aber nicht wesentlichen Anteil, hatte nach der Wiedervereinigung die Schließung / Verlagerung von Anlagen aus der ehemaligen DDR (-17 % zwischen 1990 und 1995). Seit 2021 sind die Emissionen vor allem durch Produktionsrückgänge gesunken (rund 10 % Senkung der Emissionen bei einer Senkung der Produktionsmenge um ca. 20 %). 
Die Daten werden von VCI regelmäßig veröffentlicht: 
https://www.vci.de/die-branche/zahlen-berichte/vci-statistik-grafiken-energie-klima-rohstoffe-chemie.jsp 
Die Kunststoffindustrie verkauft chemisches Recycling als Allheilmittel. Falsch. In der Transition Roadmap der europäischen Kunststoffindustrie zeigt auf, dass es möglich ist, den Anteil fossiler Rohstoffe von heute ca. 85 % auf 35 % in 2050 abzusenken und klimaneutral zu produzieren. Dazu müssen die Reduktion des Verbrauchs zum Beispiel durch Mehrweg, mechanisches Recycling, chemisches Recycling und die Nutzung von Biomasse bis zum Jahr 2050 in ähnlicher Größenordnung zur Einsparung fossiler Rohstoffe beitragen. Die stoffliche Nutzung von CO2 wird bis zum Jahr 2050 voraussichtlich nur eine untergeordnete Rolle spielen, danach aber relevanter werden. 
Plastics Transitions Roadmap – Full Report, S. 21 
Chemisches Recycling aus Mischkunststoffen und verunreinigten Abfällen funktioniert nicht. Falsch. Chemisches Recycling ist in der Tat umso einfacher, je sauberer die Kunststoffe sind, die eingesetzt werden. Allerdings zeigt beispielsweise die Firma Carboliq, dass selbst anspruchsvolle Materialien wie Ersatzbrennstoff verarbeitet werden können. 
Pyrolyseanlagen auf großer Skala zu betreiben ist technisch anspruchsvoll. Richtig. Das gilt aber auch für andere Technologien, die mehrere Anläufe gebraucht haben, um sich durchzusetzen – zum Beispiel Elektroautos, Handys, Laptops etc. 
Es ist an der Kunststoffindustrie, unabhängig von allen Umständen zu investieren. Falsch.  Nachhaltige Produkte wie zirkuläre Kunststoffe sind in aller Regel teurer als konventionelle. Ohne klare politische Anreize entsteht für diese Produkte keine verlässliche Nachfrage – und damit keine Planungssicherheit für die Unternehmen, die allen Widrigkeiten zum Trotz (zunehmend schlechte Standortfaktoren in Deutschland und Europa, schwacher Markt, seit drei Jahren andauernde wirtschaftliche Krise) investieren wollen. Für chemisches Recycling gibt es nach wie vor keine hinreichenden politischen Anreize und keine ausreichende Marktnachfrage. 
Die Kunststoffindustrie kann ihre Klimaziele in Europa nicht erreichen, nachdem sie die Ziele für das Recycling für 2025 verfehlt hat. Unklar. Es ist richtig, dass der Ausbau des chemischen Recyclings in 2023 mit 120.000 t Sekundärrohstoffeinsatz bislang deutlich unter dem Ziel von 900.000 t lag, die im Jahr 2021 mit der Verabschiedung der Transition Roadmap gesetzt wurden. Gleichzeitig ist zwischen 2021 und 2023 aber auch die Produktion von Kunststoffen in Europa um 6.6 mio t oder rund 12.5 % gesunken, von 60.6 mio t auf 54 mio t. Daher bedeutet die Nicht-Erreichung der Ziele nicht zwangsweise, dass die Klimaneutralität bis 2050 unerreichbar ist. Richtig ist aber, dass die Zielerreichung mit jedem Jahr, das verstreicht, schwieriger wird. 
Die Kunststoffindustrie behauptet, dass eine Verringerung des Kunststoffbedarfs nicht nötig sei. Falsch.  In der Transition Roadmap der europäischen Kunststoffindustrie ist klar aufgezeigt, dass der Anstieg des Verbrauchs von Kunststoffen durch beispielsweise Mehrweg und gutes Design reduziert werden muss, um klimaneutral zu werden. Damit kann in ähnlicher Größenordnung fossiler Rohstoffeinsatz reduziert werden wie durch beispielsweise mechanisches Recycling.  Plastics Transitions Roadmap – Full Report, S. 21 

Über den Verband

PlasticsEurope Deutschland e. V. ist der Verband der Kunststofferzeuger in Deutschland. Der Verband ist ein Fachverband des Verbandes der Chemischen Industrie (VCI) und Teil des europäischen Netzwerks Plastics Europe mit Vertretung in Brüssel und den europäischen Wirtschaftszentren- und Hauptstädten.


Bettina Dempewolf: Sechs Maßnahmen, die langfristig gegen das Müllproblem helfen

Ihre Ansprechpartnerin bei Plastics Europe:

Bettina Dempewolf
Leiterin Kommunikation
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E-Mail: bettina.dempewolf@plasticseurope.de