Kunststoffproduktion innerhalb der planetaren Grenzen

Wissenschaftler an der ETH Zürich und der RWTH Aachen erforschen, unter der Leitung von André Bardow, wie Kunststoffe umweltfreundlich hergestellt werden können, ohne unsere planetaren Grenzen zu überschreiten. Um dieses Ziel zu erreichen, müssen jedoch einige Schlüsselvoraussetzungen erfüllt werden.

Die Nachfrage nach Kunststoffen steigt weltweit kontinuierlich, doch welche Auswirkungen hat das auf den Planeten?

Kunststoffe sind aus unserer modernen Welt nicht wegzudenken. Sie finden in zahlreichen Anwendungen Verwendung, sei es in Alltagsgegenständen wie Plastikflaschen und Verpackungen, im Bauwesen für wärmedämmende Fensterprofile und Leichtbaumaterialien, in der Medizin für sterile Einwegprodukte wie Spritzen und Katheter oder in der erneuerbaren Energieerzeugung in Komponenten für Windkraft- und Solaranlagen.

Ihre Vielseitigkeit und Haltbarkeit tragen dazu bei, unser Leben bequemer und effizienter zu gestalten. Doch diese Vorteile gehen mit Umweltauswirkungen einher, die wir nicht ignorieren dürfen. Mit drastischen Auswirkungen für den Planeten.

Die ökologischen Herausforderungen der Kunststoffproduktion

Die Herstellung von Kunststoffen ist bislang eng mit der Verwendung fossiler Rohstoffe wie Erdöl oder Erdgas verbunden, was zur Freisetzung von Treibhausgasen führt und somit auch zur Klimaerwärmung beiträgt. Dieser Zusammenhang wird oft übersehen, aber er ist von großer Bedeutung.

Zudem ist die Deponierung von Kunststoffabfällen problematisch, da diese Kunststoffe durch unsachgemäße Entsorgung, beispielsweise durch „Littering“, oder durch Umweltkatastrophen, wie Erdrutsche und Starkregenereignisse, in die Umwelt gelangen können und unsere Landschaften und Meere verschmutzen.

Wir müssen den Anteil von fossilen Rohstoffen in der Kunststoffproduktion signifikant reduzieren

Die gute Nachricht ist, dass sich die Kunststoffindustrie auf dem Weg zu einer nachhaltigen und klimaneutralen Kreislaufwirtschaft befindet. Kunststoff- und Chemieunternehmen, wie die Mitgliedsunternehmen von Plastics Europe investieren, im Rahmen des European Green Deal, schon heute Milliardenbeträge, um ihre Produktionsprozesse umweltfreundlicher zu gestalten und eine klimaneutrale Kunststoffproduktion zu ermöglichen.

Dafür setzen sie verstärkt auf die Elektrifizierung ihrer Produktionsprozesse, durch erneuerbare Energien, und die Erforschung von alternativen Rohstoffquellen. Denn Kunststoffe müssen nicht zwangsläufig aus fossilen Rohstoffen hergestellt werden, sondern können auch aus recycelten Materialien, Biomasse und Kohlenstoff erzeugt werden, der mithilfe von CO2-Abscheidung (CCU) gewonnen wird. Doch reicht das aus, um innerhalb der planetaren Grenzen zu bleiben?

Was sind unsere Planetaren Grenzen?

Die Idee der Planetaren Grenzen wurde von einer Gruppe von Wissenschaftlern unter der Leitung von Johan Rockström entwickelt. Dieses Konzept wurde ursprünglich im Jahr 2009 vorgestellt. Seitdem hat sich das Konzept der Planetaren Grenzen zu einem wichtigen Modell für Umwelt- und Nachhaltigkeitsforschung entwickelt.

Das Konzept wird von Wissenschaftlern, Regierungen und Organisationen weltweit genutzt, um die ökologischen Herausforderungen, vor denen wir stehen, besser zu verstehen und wirksame Umweltschutzmaßnahmen zu entwickeln.

Die neun Dimensionen der Planetaren Grenzen

Die neun Dimensionen der Planetaren Grenzen umfassen den Klimawandel, den globalen Stickstoff- und Phosphorkreislauf, die weltweiter Süßwassernutzung, die Veränderung des Landsystems, den Verlust an Biodiversität, die Versauerung der Ozeane, und die Emission von Aerosolen in der Atmosphäre, sowie den Abbau der Ozonschicht.

Die Kunststoffproduktion innerhalb der planetaren Grenzen

Forscher an der ETH Zürich und der RWTH Aachen haben nun unter der Leitung von André Bardow untersucht, wie Kunststoffe umweltfreundlicher hergestellt werden können, ohne unsere planetaren Grenzen zu überschreiten. Für diese Studie haben sie den gesamten Lebenszyklus von Kunststoffen betrachtet – von der Herstellung über die Nutzung bis zur Entsorgung, inklusive Recycling.

Ihr Ziel war es herauszufinden, wie viel Umweltauswirkungen die Kunststoffindustrie, in Relation zu anderen Wirtschaftszweigen, maximal verursachen dürfte, um innerhalb der planetaren Grenzen zu bleiben. Anschließend wurde geprüft, wie sich verschiedene Szenarien und Technologien bis 2030 auf die planetaren Grenzen auswirken könnten, die zum Ziel haben, Kunststoffe nachhaltiger zu gestalten.

Das Fossile Szenario: Was passiert, wenn wir so weitermachen, wie bisher?

Das fossile Szenario stellt unsere derzeitige Kunststoffproduktion dar. Es zeigt uns, was passieren wird, wenn wir so weitermachen wie bisher, und das Ergebnis ist alarmierend: Wenn wir auf diesem Kurs bleiben, werden wir die planetaren Grenzen bis 2030 massiv überschreiten. Das hat schwerwiegende Folgen, darunter drastische Klimaveränderungen, saurer werdende Ozeane, den Verlust von Tier- und Pflanzenarten und vieles mehr. Dieses Szenario gilt es in jedem Fall abzuwenden.

Die Kunststoffproduktion innerhalb der planetaren Grenzen: Was, wenn wir bis 2030 so weitermachen, wie bisher?

Das Szenario mit biobasierten Kunststoffen: Ein Schritt in die richtige Richtung

Das zweite Szenario der Studie untersucht, was passieren würde, wenn wir die Kunststoffproduktion auf biobasierte Rohstoffe umstellen würden, die aus Nutzpflanzen oder kohlenstoffhaltigen Industrieabfällen gewonnen wird.

Der verstärkte Einsatz von Biomasse könnte helfen, unseren Gebrauch fossiler Ressourcen in der Kunststoffherstellung zu reduzieren und somit unseren CO2-Fußabdruck zu verkleinern. Trotzdem würden wir einige planetare Grenzen überschreiten, wenn wir uns ausschließlich auf biobasierte Kunststoffe verlassen würden.

Um diese Biomasse anzubauen, würde es eine große landwirtschaftliche Fläche benötigen. Zudem birgt die intensive landwirtschaftliche Nutzung das Risiko, dass fruchtbare Böden langfristig degradieren. Dieses Szenario ist sicher ein Schritt in die richtige Richtung, dennoch müssen biobasierte Kunststoffe durch weitere Maßnahmen ergänzt werden.

Die Kunststoffproduktion innerhalb der planetaren Grenzen. Was, wenn wir bis 2030 auf biobasierte Kunststoffe umsteigen.

Das Szenario mit kreislauforientierten Kunststoffen: Die perfekte Kreislaufwirtschaft

Im dritten Szenario wurde untersucht, wie es sich auf die planetaren Grenzen auswirken würde, wenn die Industrie bei der Kunststoffproduktion auf einen Mix aus biobasierten Kunststoffen sowie andere alternative Rohstoffquellen wie chemisch recycelte Rohstoffe und Kohlenstoff aus CO2-Abscheidung (CCU) zurückgreifen könnte.

Dieses Szenario zeigt eine Kreislaufwirtschaft mit Kunststoffen, indem die Produktionsprozesse durch erneuerbare Energien elektrifiziert werden, und bei der Kunststoffabfälle nicht verschwendet werden, sondern nach Möglichkeit wiederverwendet und recycelt werden.

Die Kunststoffproduktion innerhalb der planetaren Grenzen: Was, wenn wir bis 2030 auf kreislauffähige Rohstoffe umsteigen?

Vier Voraussetzungen für eine Kunststoffproduktion innerhalb der planetaren Grenzen

Ingemar Bühler, Hauptgeschäftsführer von Plastics Europe Deutschland leitet aus der Studie einen Arbeitsauftrag für die Kunststoffindustrie und die Politik ab: „Die Studie macht deutlich, dass eine nachhaltige Kunststoffproduktion möglich ist. Die Technologien, die es für die Kreislaufwirtschaft braucht, sind bereits heute verfügbar. Doch die Zeit läuft uns davon. Unternehmen, die in diese Transformation investieren wollen, brauchen daher die Rückendeckung der Politik und bestimmte Rahmenbedingungen, um ihre Produktionsprozesse möglichst schnell umzustellen.“ Um eine Kunststoffproduktion innerhalb der planetaren Grenzen zu ermöglichen, braucht es nach Bühler, bestimmte Schlüsselvoraussetzungen:

  • Vermeidung von unnötigem Kunststoffabfall: Um weniger Plastikmüll zu produzieren, sollten klare Regeln für das Design von Produkten eingeführt werden. Produkte sollten in Zukunft so hergestellt werden, dass sie weniger Material verbrauchen und leichter recycelt werden können (Design for Recycling). Zum Beispiel sollten Etiketten auf Plastikflaschen leicht abwaschbar sein, und Produkte sollten, nach Möglichkeit aus wenigen, leicht recycelbaren Komponenten und Mono-Material zusammengesetzt werden. Zudem sollte auch der Ausbau von Mehrwegsystemen gefördert werden.
  • Förderung alternativer Rohstoffquellen: Um den Anteil von fossilen Rohstoffen in der Kunststoffproduktion zu reduzieren, müssen Rahmenbedingungen geschaffen werden, damit Unternehmen in großem Umfang in Technologien investieren können, die Kunststoffe aus alternativen Rohstoffquellen, wie Biomasse, chemischem Recycling und Carbon Capture and Utilization (CCU), möglich machen. Neben der Anerkennung von Massebilanzverfahren für biobasierte und chemisch recycelte Rohstoffe, braucht es auch Maßnahmen, um die Verfügbarkeit von nachhaltig, zertifizierter Biomasse zu erhöhen und Kunststoffabfälle konsequenter zu recyceln.
  • Effektive Sammlung, Sortierung und Recycling von Kunststoffabfällen: Kunststoffabfälle sind eine wertvolle Ressource, die genutzt werden können, um neue Kunststoffe herzustellen. Um diese Kunststoffkreisläufe intelligent zu schließen, braucht es jedoch Investitionen in moderne Anlagen zum Sammeln, Sortieren und Recyceln von Kunststoffabfällen, sowie ein EU-weites Verbot der Deponierung von Kunststoffabfällen. Die Ausdehnung der erweiterten Herstellerverantwortung (EPR) die Einführung von digitalen Produktpässen und verbindlicher Rezyklateinsatzquoten können ebenfalls dazu beitragen, mehr Kunststoffe zu recyceln.
  • Massiver Ausbau von erneuerbaren Energien: Um eine klimaneutrale Kunststoffproduktion zu ermöglichen, müssen geeignete Rahmenbedingungen geschaffen werden, um die Produktionsprozesse der Kunststoffindustrie zu elektrifizieren. Dies erfordert in erster Linie eine deutliche Beschleunigung der Genehmigungsverfahren und erhebliche Investitionen in den Ausbau der Stromnetze und der Wasserstoff-Infrastruktur.

In der Europäischen Union sind sich Kunststoffhersteller, Entsorger, Umweltverbände, Forschungsinstitute und politische Entscheidungsträger weitestgehend einig, dass der Einsatz von fossilen Ressourcen in der Kunststoffproduktion erheblich gesenkt werden muss, um die planetaren Grenzen einzuhalten. Doch damit die Transformation zur klimaneutralen Kreislaufwirtschaft gelingt, müssen Politik, Umweltverbände, Wissenschaft und Industrie jetzt eng zusammenarbeiten. Sei es bei der Ausarbeitung der nationalen Kreislaufwirtschaftsstrategie, der neuen EU-Verpackungsverordnung (PPWR), oder den internationalen Verhandlungen zum UN-Plastikabkommen. Die Aussicht auf die Kreislaufwirtschaft macht Hoffnung! Doch die Zeit drängt, und es steht viel auf dem Spiel.


Bettina Dempewolf: Sechs Maßnahmen, die langfristig gegen das Müllproblem helfen

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