Kunststoff- und Chemieindustrie unterstützten das UN-Plastikabkommen

Mikroplastik im Rhein: Was sind die Erkenntnisse der LANUK-Studie?

Mikroplastik nennt man winzige Plastikteilchen mit weniger als fünf Millimetern Durchmesser. Experten unterscheiden dabei primäres Mikroplastik und sekundäres Mikroplastik. Primäres Mikroplastik umfasst industriell hergestellte Kunststoffpartikel, die von Anfang an so klein produziert werden. Dazu gehören etwa Rohplastik-Pellets (granulatartige Kügelchen von ca. 1–5 mm Größe, das Grundmaterial zur Plastikproduktion) und Mikroplastik-Kügelchen, oft Beads genannt, unter 1 mm.

Sekundäres Mikroplastik entsteht dagegen erst, wenn größere Plastikstücke in der Umwelt zerfallen, zum Beispiel durch Sonneneinstrahlung, Abrieb (etwa von Autoreifen) oder Verwitterung. Auch ausgewaschene, winzige Synthetikfasern aus Kleidung zählen dazu. Einmal in die Umwelt gelangt, baut sich Mikroplastik dort nur sehr langsam ab. Mikroplastik kann von Tieren fälschlicherweise für Nahrung gehalten und verschluckt werden.

Ziele der Studie: Mikroplastik an der Quelle untersuchen

Vor diesem Hintergrund hat das Landesamt für Natur, Umwelt und Klima Nordrhein-Westfalen (LANUK) erstmals gezielt untersucht, ob und wie primäres Mikroplastik direkt über industrielle Abwassereinleitungen in den Rhein gelangt.

Bisher war bekannt, dass Mikroplastik aus diffusen Quellen – etwa Reifenabrieb von Straßen oder unsachgemäß entsorgter Plastikmüll – in die Gewässer gespült wird. Unklar war jedoch, welchen Anteil Industriebetriebe durch punktuelle Einleitungen, also ihre Abwasserrohre an der Verschmutzung haben. Primäre Mikroplastik-Partikel wie Pellets und Beads standen dabei im Fokus der Untersuchung, da sie direkt aus Herstellungs- und Transportprozessen stammen könnten.

Die im Mai 2025 abgeschlossene Pilotstudie gibt einen ersten Überblick: Sie untersucht vier ausgewählte Chemie-Standorte am Rhein auf mögliche Mikroplastikquellen und misst zugleich, wie stark der Rhein in NRW mit primärem Mikroplastik belastet ist.

Durchführung: Probenahme in Abwasser und Rhein

Für die Untersuchung wurden vier große Industrieareale entlang des Rheins in NRW anonym ausgewählt (im Bericht als Standorte A, B, C und D bezeichnet). Diese Standorte beherbergen Chemiebetriebe, die in ihrem Betrieb mit Kunststoff-Rohmaterialien umgehen oder solche produzieren.

An jedem Standort wurden Abwasserproben genommen, zum einen direkt an den Einleitstellen in den Rhein (den Endrohren, die gereinigtes Abwasser in den Fluss leiten), zum anderen an bestimmten Teilströmen innerhalb der Betriebe. Letzteres sollte helfen, innerhalb der Anlage den Ursprung etwaiger Mikroplastik-Funde zurückzuverfolgen. Insgesamt wurden 16 Abwasserproben an den vier Standorten entnommen.

Parallel dazu nahmen die Fachleute Wasserproben an neun Messstellen im Rhein selbst, von der Stelle, an der der Fluss nach NRW hineinfließt (Raum Bad Godesberg), bis hinunter nach Duisburg. Diese Rheinproben dienten als Übersicht, wie stark der Strom auf seinem Weg durch NRW mit primärem Mikroplastik belastet ist.

Für die Messung nutzte das LANUK-Team spezielle Filter-Kaskaden: Dabei wird große Wassermengen durch eine Reihe von Filtern mit abnehmender Maschenweite gepumpt (z.B. 500 µm, 300 µm, 100 µm), um selbst sehr kleine Partikel herauszufiltern. Ein solches System wurde teils an vorhandene Abwasserleitungen angeschlossen, teils mit Pumpen in offene Gerinne gehängt.

Auf dem Rhein selbst kamen Netzfangeinrichtungen (sog. Manta-Trawl-Netze) zum Einsatz, die an Bord eines Laborschiffs das Oberflächenwasser durchsiebten. Alle gefilterten Rückstände wurden anschließend im Labor ausgewertet, um die Anzahl am Mikroplastik pro Kubikmeter Wasser zu bestimmen. Die aktuelle Studie liefert Ergebnisse für die Kunststoffpartikeln unter 1 mm (sog. Beads). Laut LANUK sind weitere Untersuchungen u.a. an anderen Messstellen und unter unterschiedlichen Witterungsbedingungen geplant.

Die wichtigsten Ergebnisse im Überblick

Die Ergebnisse der Pilotstudie lassen sich so zusammenfassen:

In allen untersuchten Abwasserproben der vier Chemie-Standorte wurden primäre Mikroplastik-Partikel unter 1 mm (sog. Beads) gefunden. Die gemessenen Konzentrationen reichten von 0,95 bis 2.571 Beads pro Kubikmeter Abwasser (m3). Ein Kubikmeter entspricht dabei etwa fünf gefüllten Badewannen. Dieser oberste Wert von rund 2.571 Teilchen pro m³ stammt von einer einzigen Einleitungsstelle und stellt einen Ausreißer dar. Alle anderen Messwerte lagen deutlich niedriger, überwiegend zwischen etwa 1 und 19 Beads pro m³.

Mit anderen Worten: Nur bei einem Betrieb wurde eine extrem hohe Mikroplastik-Fracht entdeckt; bei den übrigen Einleitungen fanden sich zwar ebenfalls Kunststoffkügelchen, aber in vergleichsweise geringen Mengen. Auf die mögliche Fracht an Kunststoffpartikeln größer als 1 mm (Pellets, bis 5 mm) geht die Studie nicht ein.

Auch im Rhein selbst wurden an allen neun beprobten Stellen Mikroplastik-Partikel nachgewiesen. Die Konzentrationen des primären Mikroplastiks lagen hier im Bereich von rund 0,6 bis 3,6 Beads pro Kubikmeter Flusswasser. Diese Werte sind deutlich niedriger als im Abwasserstrom, was zu erwarten ist, da das Flusswasser stark verdünnt und vermischt ist.

Die Mikroplastik-Belastung im Rhein nimmt tendenziell flussaufwärts zu, wenngleich einige unteren Rheinabschnitte etwas höhere Partikelzahlen aufwiesen als die Messstellen weiter oben (Richtung Bonn). Es kann somit nicht ausgeschlossen werden, dass sich auf dem Weg durch NRW weiteres Mikroplastik ansammelt, sei es aus weiteren Punktquellen (Gewerbe) oder aus anderen diffusen Quellen entlang des Flusses.

Wichtig zu betonen: Die gefundenen Beads machen zwar Schlagzeilen, aber sie stellen vermutlich nur einen kleinen Bruchteil der gesamten Mikroplastik-Belastung des Rheins dar. In den Gewässern dominieren zahlenmäßig meist sekundäre Mikroplastik-Partikel wie Abrieb und Fragmente. Dennoch sind die industriell hergestellten Mikrokügelchen von großer Bedeutung, weil sie vermeidbar wären. Sie gelangen oft durch Verluste bei Produktion oder Transport in die Umwelt. Die Studie liefert hierzu nun erstmals konkrete Daten direkt an den Emissionsquellen.

Forscher haben industrielle Kunststoffpartikeln m Rhein gefunden. Bei sogenannten Beads, handelt es sich um kleine Kunststoffpartikel mit Durchmesser unter 1mm.
Forscher haben industrielle Kunststoffpartikeln m Rhein gefunden. Bei sogenannten Beads, handelt es sich um kleine Kunststoffpartikel mit Durchmesser unter 1mm.

Schlussfolgerungen des LANUK

Die LANUK-Studie zieht aus den Ergebnissen mehrere Schlussfolgerungen und skizziert Folgemaßnahmen:

  • Die Ergebnisse zeigen deutlich, dass Mikroplastik nicht nur diffus (verstreut) aus der Allgemeinheit ins Wasser gelangt, sondern auch punktuell über bestimmte industrielle Abwässer in den Rhein. Zwar handelt es sich um eine Pilotuntersuchung, doch sie belegt den direkten Eintrag – insbesondere ein Chemiebetrieb fiel mit ungewöhnlich hohen Werten auf. Damit ist klar, dass bei einzelnen Industrieanlagen Handlungsbedarf bestehen kann.
  • Das LANUK wertet die Untersuchung als erfolgreichen ersten Schritt, betont aber, dass es eine Momentaufnahme ist. Noch kann man keine belastbaren langfristigen Trends ableiten. Die große Spannweite der Befunde, von unauffällig bis extrem hoch, zeigt, dass weitere Forschung nötig ist, um zu verstehen, ob solche Emissionen kontinuierlich auftreten oder auf bestimmte Ereignisse (z.B. Havarien, Reinigungsprozesse) zurückzuführen sind.
  • Das LANUK kündigt an, die Studie fortzuführen. Folgeuntersuchungen sollen z.B. bei unterschiedlichem Wetter stattfinden, da Starkregen auf dem Gelände verstreute Kügelchen abspülen könnte. Geplant sind auch Messungen unmittelbar ober- und unterhalb einzelner Industrie-Einleitungen im Rhein. So will man gezielter ermitteln, wie viel Mikroplastik ein konkreter Standort tatsächlich ins Gewässer abgibt. Zudem arbeitet das Landesamt daran, die Analytik zu verfeinern: Künftig sollen auch noch kleinere Kunststoffpartikel und Bruchstücke erfasst werden können, die bisher mit bloßem Auge beim Auszählen übersehen wurden.
  • Eine zentrale Botschaft der Studie ist, dass Vermeidung an der Quelle der effektivste Schutz ist. Umweltminister Oliver Krischer betonte, Mikroplastik dürfe gar nicht erst mit Abwasser in die Gewässer gelangen. Alle Beteiligten in der Produktion und Logistik müssten sorgsam mit Kunststoffgranulat umgehen. Bereits während der Studie hat das LANUK daher den Dialog mit den betroffenen Unternehmen gesucht. Es gab erste Gespräche mit den Betriebsleitungen darüber, wie man Leckagen aufspürt und Verluste reduziert. In der Folge wurden etwa zusätzliche Reinigungsmaßnahmen auf einigen Werksgeländen eingeleitet, um herumliegende Plastikkügelchen besser aufzulesen, damit sie nicht vom Regen in die Kanalisation gespült werden.
  • Langfristig sollen auf Basis solcher Daten auch Grenzwerte und Regeln für Mikroplastik-Einträge in Gewässer entwickelt werden, so die Ankündigung des Ministers. Derzeit gibt es noch keine gesetzlichen Konzentrationsgrenzen für Mikroplastik im Wasser. Krischer rechnet jedoch damit, dass in den nächsten Jahren zumindest für bestimmte Mikroplastik-Arten Orientierungswerte auf EU-Ebene geschaffen werden.