Innovations Pressekonferenz Plastic Europe

Erste Innovations-PK zur Kreislaufwirtschaft mit Kunststoffen – ein voller Erfolg!

Am 30. März 2023 fand in Berlin erstmals die hybride Innovations-Pressekonferenz von Plastics Europe Deutschland statt. Auf dieser wurden brandneue Innovationen der Kunststoff-Branche vorgestellt, die ein nachhaltiges Wirtschaften im Kreislauf vorantreiben. Zum einen skizzierten führende Experten einer Kreislaufwirtschaft mit Kunststoffen die Pfade zu einer klimaneutralen Industrie. Damit wiesen sie den Weg zu Rohstoffunabhängigkeit und Klimaneutralität. Zum anderen zeigte ein vielseitiger Mix von Unternehmen mit kompakten Input-Vorträgen zu Praxisbeispielen gelebte Zirkularität auf.

Pfeiler für einen geschlossenen Kunststoff-Kreislauf

Prof. Dr. Christian Bonten (Institut für Kunststofftechnik (IKT)) und Dr. Alexander Kronimus (Plastics Europe Deutschland (PED)) skizzierten mit dem Konzept einer KreislaufwirtschaftPLUS die Pfade und Schlüsseltechnologien einer Kreislaufwirtschaft mit Kunststoffen. Sie stellten – neben dem Aspekt des konsequenten Ausbaus Erneuerbarer Energien für einen nachhaltigen, elektrischen Betrieb der Anlagen der Industrie – die drei wesentlichen Pfeiler eines geschlossenen Kunststoff-Kreislaufs vor.
 
Erstens: Die Verlängerung der Kreislaufführung und das Recycling: Die Kreislaufführung aller Anwendungen aus Kunststoff muss technologieoffen maximiert und nach Ökoeffizienz-Kriterien optimiert werden. Dazu müssen Abfälle minimiert (Reduce), Produkte wiederverwendet (Reuse) und am Ende der Nutzungsphase mechanisch oder chemisch recycelt werden (Recycle). In einer funktionierenden Kreislaufwirtschaft gibt es keinen „Müll“, sondern immer wieder neu zu recycelnde Wertkunststoffe, die im Kreis geführt werden und so den Ressourcenverbrauch reduzieren und das Klima schützen.

Innovations-PK Plastics Europe - Prof. Dr. Christian Bonten IKT Stuttgart
Prof. Dr. Christian Bonten IKT Stuttgart • Bild: Plastics Europe

Zweitens: Ein smartes Produktdesign, das Nachhaltigkeit möglich macht: Für die Kreislaufführung ist auch ein Design der Produkte wichtig, das sie besser recycelbar macht (etwa aus Monomaterialien). Zudem ist das Ziel, dass Produkte nicht nur weitgehend recycelt werden, sondern dass möglichst viel Rezyklat auch in neuen Produkten eingesetzt wird.
 
Und drittens: Eine nichtfossile Rohstoffbasis. Da rein physikalisch keine 100-prozentige Wiederverwertungsquote möglich ist, müssen auch bei innovativstem Recycling neben Rezyklat neue Rohstoffe dem Kreislauf hinzugeführt werden. Wichtig ist, dass diese auf nicht-fossiler Grundlage basieren und so eine vollständig geschlossene Kreislaufwirtschaft ermöglicht wird, die uns zudem in geopolitisch unsicheren Zeiten rohstoffunabhängig macht. Hierfür kommen zwei rohstoffliche Grundlagen in Frage: Als nachhaltig zertifizierte nachwachsende Rohstoffe und die Nutzung von CO2 mittels Carbon Capture and Utilization (CCU) aus fossilen, biogenen und sonstigen (z.B. Zementherstellung, Müllverbrennung) Punktquellen wie Industrieanlagen sowie aus der Atmosphäre, kombiniert mit klimaneutral erzeugtem Wasserstoff.

Diese Zielvorstellung wurde zugleich durch konkrete Projekte mit Leben gefüllt: Vier Industrie-Referenten zeigten, wie ihre Unternehmen Kunststoffe konsequent im Kreislauf führen wollen: Mit konsequentem Design for Circularity und technologieoffenem Recycling.


Design for Circularity

Dr. Nina Fechler (Evonik) stellte vor, wie Additive für das mechanische und chemische Recycling die Effizienz von Recyclingprozessen und die Rezyklat-Qualität erhöhen oder wie bereits in der Designphase eine Reduzierung der Materialkomplexität beim Recycling hilft, etwa mit einem Autositz aus nur einem Kunststoff. Dabei zeigte Dr. Fechler unter anderem auf, wie bereits in der Designphase eine Reduzierung der Materialkomplexität beim Recycling hilft.

Eines der Beispiele: Ein Autositz aus nur einem Kunststoff, der gleich mehrere Anforderungen erfüllt, für die bislang verschiedene Kunststoffe eingesetzt werden mussten (das Gerüst soll stabil und robust sein, zugleich Lehne und Auflagen Halt geben. Außerdem erfordern Autositze ein einstellbares Gestell und somit etwa schienen und Regler. All das hat Evonik nun mit nur einem Material erreicht, das sich aufschäumen, extrudieren, spritzgießen und 3D-drucken lässt. Im Gegensatz zu herkömmlichen Autositzen ist dieser neue Sitz somit viel besser recycelbar. Ein weiteres Beispiel: Eine bestens recycelbare Monomaterial-Zahnbürste.

Innovations Pressekonferenz Plastics Europe Kunststoff Nina Fechler
Nina Fechler, Evonik • Bild: Plastics Europe

Matthias Schulz (Otto Krahn New Business) stellte vor, wie hochwertige Kunststoff-Compounds aus mechanischem Recycling und ein zirkuläres Design zu mehr Nachhaltigkeit beitragen. Eines der Beispiele, mit dem Schulz aufwartete: das Smartphone des Herstellers Fairphone. Dieses setzt nicht nur auf beste Recycelbarkeit, sondern denkt bereits  Rückgabemöglichkeiten mit. Mehr noch: Auch die Auswahl der Materialien im Hinblick auf einen möglichst niedrigen CO2-Fußabdruck und Ressourcenschonung spielen für die Entwicklung des Telefons eine wesentliche Rolle. Die rückseitige Gehäuseschale des Fairphone 4 besteht aus Kunststoff-Compounds des Unternehmens der Otto Krahn Group MOCOM. Sie zeichnet sich durch Langlebigkeit und Schlagfestigkeit aus. Das zu 100% aus Post-Consumer-Abfällen recycelte Polycarbonat reduziert das Global Warming Potential (GWP) der Smartphone-Hülle um 80 % im Vergleich zur Verwendung von Primärware.
 
Neben dem Rezyklat selbst geht es bei Kunststoff-Compounds laut Schulz auch um zugesetzte recycelte Füllstoffe oder Fasern. MOCOM hat ein neues Akku-Staubsauger-Modell von Vorwerk mit einem Compound beliefert, das aus 30 % recycelten Carbon-Faser-Anteilen besteht. Durch die festigenden Eigenschaften der Carbonfasern konnte bei dem Modell statt einem Polyamid ein Polypropylen-Polymer eingesetzt werden, was zu einer Senkung des CO2-Fußabdrucks von rund 80 % gesorgt hat. Zudem konnte das Gewicht auf 2,3 kg gesenkt werden, der Produktionsprozess vereinfacht und dadurch weitere Energie eingespart werden. Und dies zusätzlich zu einer erheblichen Verbesserung von Handhabung und Nutzung durch das neue Produktdesign, verbunden mit einer hohen haptischen Attraktivität der eingesetzten Materialien.

Recycling – und zwar technologieoffen.

Innovations Pressekonferenz Plastics Europe Kunststoff Matthias Schulz
Matthias Schulz, Otto Krahn New Business • Bild: Plastics Europe

Dr. Peter Sandkühler (Dow) betonte die Wichtigkeit mechanischer und chemischer Recyclingverfahren als komplementäre Technologien für den Übergang zu einer klimaneutralen Kreislaufwirtschaft mit höherem Rezyklateinsatz in breiten Anwendungsfeldern. Er gab Einblicke in Partnerschaften, mit denen Dow chemische Recyclingtechnologien in Europa etablieren will, unter anderem mit Mura Technology.

Insgesamt sei es das Ziel, sicherzustellen, dass Kunststoffabfälle zu einer Ressource werden, statt in der Verbrennung, Entsorgung oder der Umwelt zu landen. Damit das gelingt, müssten alle vor- und nachgelagerten Hebel entlang der Wertschöpfungskette in Bewegung gesetzt werden – einschließlich des mechanischen und chemischen Recyclings. Das chemische Recycling sei eine essenzielle Ergänzung und die einzige verfügbare skalierbare Methode, um bestimmte Arten von Kunststoffabfällen zu recyceln und dabei gleichzeitig die hohen Qualitätsanforderungen für recycelte Kunststoffe zu erreichen, die etwa für den Kontakt mit Lebensmitteln, für medizinische und andere regulierte Anwendungen notwendig sind. Die rechtliche Anerkennung des chemischen Recyclings zusammen mit dem klaren Verständnis und der Unterstützung für die Massenbilanzierung sei laut Dr. Sandkühler eine wichtige Voraussetzung für die Industrie und sämtliche Wertschöpfungsketten, um die Transformation von einer linearen in eine Kreislaufwirtschaft zu meistern. DR. Sandkühler machte klar: Zielgerichtete und klare rechtliche Rahmenbedingungen werden immer wichtiger, um ausreichend Zeit für die Planung, die Finanzierung, die Genehmigung und den Bau zusätzlicher Recyclinganlagen und der notwendigen Infrastruktur zu gewährleisten.

Innovations-PK Plastics Europe Dr Peter Sandkuehler Dow
Dr. Peter Sandkuehler, Dow • Bild: Plastics Europe

Mit Markus Klatte (ARCUS Greencycling) trat ein weiterer Vorreiter für die Kreislaufwirtschaft mit Kunststoffen auf die Bühne. Erst im Dezember 2022 hatte sein Startup die erste kommerzielle Anlage für chemisches Recycling gemischter Kunststoffe in Deutschland in Betrieb genommen und den Beweis angetreten: Chemisches Recycling funktioniert und liefert hohe Qualität. Dabei nimmt das Unternehmen solche Kunststoffabfälle an, die ansonsten in die Verbrennung gehen wie etwa Mischkunststoffe. Und auch die bekanntlich seltener ins Recycling gehenden Konsumentenabfälle sind Teil der Rohstoffbasis für ARCUS.
 
Bevor diese Abfälle zu ARCUS gelangen, werden sie von Partnern physikalisch aufbereitet, sprich: geschreddert und verdichtet. Erst dann findet im Chemiepark Frankfurt-Höchst, wo das Unternehmen seinen Standort hat, die Umwandlung der gemischten Abfälle statt, indem sie mittels Erhitzung in einem thermischen Prozess in ein Kondensat umgewandelt, dann heruntergekühlt und so zu Pyrolyseöl werden. Das Raffinieren und Cracken übernehmen wiederum Partner wie die BASF, die den ersten Tak erhält und aus dem lebensmitteltauglichen Rohmaterial neue Kunststoffe herstellen wird. Bei all den positiven Entwicklungen wies Klatte aber auch auf einen seit 2016 andauernden Kraftakt hin, bei dem es bei Weitem nicht nur um die Finanzierung des Projektes ging. Zahlreiche Genehmigungshürden seien enorm schwer zu nehmen, für die Skalierung benötige es nun auch bessere politische Rahmenbedingungen, etwa die Anerkennung von Massenbilanzen.

Innovations Pressekonferenz Plastics Europe Kunststoff Markus Klatte
Markus Klatte, ARCUS Greencycling • Bild: Plastics Europe

Fortsetzung ist bereits geplant!

Die Innovations-Pressekonferenz machte deutlich: Rohstoffunabhängigkeit und ein nachhaltiges Wirtschaften mit Wertkunststoffen, die konsequent im Kreislauf geführt werden, ist möglich. Damit die Investitionen in großtechnische Anlagen und Serienproduktion in Deutschland stattfinden, gilt es nun, gemeinsam mit der Politik entscheidende Hürden aus dem Weg zu räumen. Plastics Europe versteht sich als Moderator und Treiber dieses Prozesses und der Vorsitzende des Verbands, Dr. Ralf Düssel, machte zum Abschluss bereits klar: Die Erstausgabe der Innovations-PK wird nicht die letzte gewesen sein. Eine Fortsetzung ist bereits geplant!

Weitere Berichte zur Innovations-Pressekonferenz 2023:

·       Kunststoffe: Hitzige Debatten und neue Ansätze (Bericht über das Parlamentarische Frühstück von PED zur Nationalen Kreislaufwirtschaftsstrategie sowie weiter unten über die Innovations-Pressekonferenz)
·       K-Zeitung: Innovationen für den Kunststoff-Kreislauf