Sinkende EU-Wettbewerbsfähigkeit gefährdet Kunststoff-Kreislaufwirtschaft

Neue Daten zeigen einen weiteren Rückgang der europäischen Kunststoffproduktion und erstmals einen Rückgang bei recycelten Kunststoffen.

Brüssel, 18. November 2024 – Aktuelle Daten von Plastics Europe zeigen, dass die Kunststoffproduktion 2023 stärker als erwartet zurückging und es auch erstmals einen Rückgang der mechanischen Rezyklatproduktion in Europa gab.

Im Vergleich zu 2022 sank die Kunststoffproduktion in der EU um 8,3 % auf 54 Mio. Tonnen, und die Produktion von mechanisch recycelten Kunststoffen auf der Grundlage von Post-Consumer-Abfällen ging um 7,8 % auf 7,1 Mio. Tonnen zurück. Diese Zahlen stehen im Gegensatz zu einem globalen Anstieg der Kunststoffproduktion um 3,4 %. Der europäische Anteil am Weltmarkt fällt damit auf 12 % ab [1]. Europa hat zwar eine positive Handelsbilanz und exportiert wertmäßig noch immer mehr Kunststoffe, als es importiert. Aber seit 2022 importiert die EU mengenmäßig mehr Kunststoffgranulate und seit 2021 auch mehr Kunststoffprodukte, als sie exportiert. Zwischen 2020 und 2023 sanken die Exporte von Kunststoffgranulaten um 25,4 %.

Europas schwindende Wettbewerbsfähigkeit bedroht die Transformation zu einer Kreislaufwirtschaft mit Kunststoffen. Kunststoffe sind für die europäische Wirtschaft unverzichtbar und ein wichtiger Wettbewerbsfaktor für zahlreiche Branchen wie Gesundheit, Automobile, Baugewerbe, Elektronik, erneuerbare Energien, Konsumgüter und Verpackungen. Diese Entwicklung gefährdet die Wettbewerbsfähigkeit der europäischen Kunststoffindustrie, die derzeit über 1,5 Millionen Arbeitsplätze in 51.700 Unternehmen sichert und im Jahr 2023 mehr als 365 Milliarden Euro Umsatz erzielte. Ohne ein wettbewerbsfähiges Umfeld droht Europa, seine Führungsrolle bei zirkulären Kunststoffinnovationen zu verlieren – zusammen mit den damit verbundenen wirtschaftlichen und ökologischen Vorteilen.

Marco ten Bruggencate, Präsident von Plastics Europe und Dow EMEAI, sagt: „Europa schlittert in eine wachsende Abhängigkeit von importierten Kunststoffen, die nicht immer den EU-Standards entsprechen, während europäische Produktionsstätten bereits geschlossen werden. Die harte Realität ist, dass industrielle Aktivitäten und Investitionen in die zirkuläre Kunststoffproduktion aufgrund des schwierigen Investitionsklimas aus Europa abwandern. Dieser Trend wird durch mögliche unzureichend deklarierte Importe weiter verschärft und bedroht unsere Wettbewerbsfähigkeit. Wir haben nur ein kleines Zeitfenster, um Investitionen zu sichern und unsere Wettbewerbsfähigkeit zurückzugewinnen.“

Virginia Janssens, Geschäftsführerin von Plastics Europe AISBL, sagt: „Um eine Verlangsamung der Transformation zu vermeiden, benötigen wir dringend Maßnahmen, um Investitionen in die Produktion kreislauffähiger Kunststoffe attraktiver zu machen, Bürokratie abzubauen, etwa aufgrund übermäßig andauernder Genehmigungsverfahren, und um mit unseren internationalen Wettbewerbern wieder auf ein „Level-Playing-Field“ zu gelangen. Trotz der Herausforderungen bleiben wir fest entschlossen, unsere Roadmap für die Transformation zur klimaneutralen Kreislaufwirtschaft mit Kunststoffen voranzutreiben. Jetzt müssen die EU und die Mitgliedstaaten ein klares Signal gegenüber Investoren und Marktteilnehmern setzen, dass sie die Kunststoffproduktion in Europa und die Transformation unserer Industrie unterstützen.“

Die Analysen von Plastics Europe zeigen, dass die steigenden Importe von Kunststoffgranulat und Kunststoffprodukten aus Regionen mit weniger strengen Umweltstandards die Wirtschaftlichkeit des Kunststoffrecyclings und die Transformation zur Kreislaufwirtschaft in Europa untergräbt. Gleichzeitig sind die europäischen Kunststofferzeuger, wie der Großteil der europäischen Industrie, mit hohen Produktionskosten konfrontiert, verursacht durch teure Energie- und Rohstoffpreise, eine überbordende Bürokratie und die begrenzte Verfügbarkeit von zirkulären Rohstoffen. Dies fällt mit einem schwachen Wachstum in Europa und Rezessionen in einigen wichtigen europäischen Volkswirtschaften und Industriezweigen zusammen.

Trotz der Tatsache, dass die EU prozentual, den höchsten Anteil an kreislauffähigen Kunststoffen global aufweist, der 2023 bei 14,8 % lag, betrug der Anstieg nur 0,7%im Vergleich zum Vorjahr. Wenn die Wachstumsraten nicht wieder steigen, dann werden die Ziele der Plastic Transition Roadmap nicht erreicht. Flankierend zum Rückgang der mechanischen Recyclingproduktion wurden 2023 in Europa 0,12 Mio. Tonnen chemisch recycelter Kunststoff hergestellt [2], während die Produktion von bio-basierten und bio-attribuierten Kunststoffen leicht auf 0,8 Mio. Tonnen anstieg.

Hier geht’s zum Report Plastics – The Fast Facts 2024:
https://plasticseurope.org/knowledge-hub/plastics-the-fast-facts-2024/

Anmerkungen an die Redaktion

Der EU-Regulierungsrahmen sollte für ein Vorantreiben der Kreislaufwirtschaft beispielsweise ambitionierte und verpflichtende Rezyklateinsatzquoten verfolgen sowie zeitnah geeignete Rahmenbedingungen, wie die Akzeptanz von Massenbilanzen für moderne Recyclingverfahren, wie das chemische Recycling, ermöglichen. Darüber hinaus sind effizientere Genehmigungsverfahren für klimaschonende, kreislauffähige Industrieanlagen und geeignete Monitoring- und Zertifizierungssysteme erforderlich, um sicherzustellen, dass alle Importe den EU-Standards entsprechen. Zudem müssen weitere finanzielle und wirtschaftliche Maßnahmen auf europäischer und nationaler Ebene geprüft werden, um die Produktion von zirkulären Kunststoffen in Europa wettbewerbsfähig zu machen.

Plastics Europe begrüßt den Draghi-Report zur „Zukunft der europäischen Wettbewerbsfähigkeit“, mit dem das „ungenutzte Potenzial der Kreislaufwirtschaft“ erkannt und festgestellt wird, dass „das Kunststoffrecycling derzeit keine starke wirtschaftliche Grundlage hat.“ Der Bericht zeigt zudem, dass eine effektive Regulierung zwar wichtig ist, aber kein Allheilmittel darstellt und Europa einen ganzheitlichen Ansatz zur Bewältigung der Wettbewerbsprobleme für die Kunststoffindustrie und anderer Branchen verfolgen muss. Ermutigend ist auch, dass Ursula von der Leyen als Reaktion auf die Antwerpener Erklärung einen neuen, industrieorientierten Green Deal angekündigt hat.



[1] Der Anteil Europas an der weltweiten Kunststoffproduktion ist von 14 % im Jahr 2022 auf 22 % im Jahr 2006 gesunken: „The Circular Economy for plastics – A European Analysis“, Bericht Plastics Europe 2024

[2] Plastics Europe hat sich zum Ziel gesetzt, bis 2030 2,8 Mio. Tonnen chemisch recycelte Kunststoffe zu produzieren.

Über den Verband

Plastics Europe ist der paneuropäische Verband der Kunststofferzeuger mit Büros in mehreren Wirtschaftszentren Europas. Mit fast 100 Mitgliedsunternehmen, die für mehr als 90 Prozent der Kunststoffproduktion in Europa stehen, sind wir ein bedeutender Akteur der Kunststoffindustrie, mit der Verantwortung, offen und eng mit den verschiedensten Interessengruppen zusammenzuarbeiten – um sichere, kreislauffähige und ressourcenschonende Ideen und Produkte zu entwickeln. Unser Ziel ist es, den Wandel der Branche hin zu mehr Nachhaltigkeit intensiv voranzutreiben.


Bettina Dempewolf: Sechs Maßnahmen, die langfristig gegen das Müllproblem helfen

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Bettina Dempewolf
Leiterin Kommunikation
Telefon: +49 (69) 2556-1307
Mobil: +49 (171) 9713962
E-Mail: bettina.dempewolf@plasticseurope.de

Link zur Studie: https://plasticseurope.org/knowledge-hub/plastics-the-fast-facts-2024/